Ein wichtiger Eckpfeiler für das Verständnis von Agilität ist das „Agile Manifest“, dem wir deshalb einen eigenen Glossar-Beitrag widmen.

Agilität ist erst seit den 90er Jahren ein Thema, entstanden als Antwort auf die wachsende Kritik an traditionellen Projektmanagement-Methoden. Die damals revolutionären neuen Ideen, Werte und Prinzipien wurden 2001 erstmals von 17 Vorreitern in den USA niedergeschrieben und als „Agiles Manifest“ veröffentlicht. Der Ursprung liegt also in der Softwareentwicklung, auch wenn Agilität mittlerweile längst Branchengrenzen gesprengt hat. Sie können deshalb den Begriff „Software“ gedanklich einfach durch „Produkte“ ersetzen.

Die 4 Werte im Agilen Manifest

  • Menschen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung
  • Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans

Die 12 Prinzipien im Agilen Manifest

  • Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufrieden zu stellen.
  • Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen! Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
  • Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.
  • Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
  • Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
  • Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
  • Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
  • Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.
  • Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.
  • Einfachheit — die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren — ist essenziell.
  • Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
  • In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.

(Quelle: https://agilemanifesto.org)

Das Agile Manifest in der Praxis

Kurz zusammengefasst geht es darum, den Prozess der Produktentwicklung flexibler („agil“) zu gestalten, um noch schneller noch bessere Produkte zu entwickeln. Klar, das will (und wollte auch schon vor der Ära der Agilität) jedes Unternehmen und Produktentwicklungsteam. Aber das Agile Manifest hat neue Routen zum Ziel aufgezeigt:

  • Vorhandene Ressourcen wie das Know-how der Mitarbeiter werden besser genutzt.
  • Bürokratischer Aufwand und Regeln werden auf ein Minimum reduziert.
  • Vorbildliche Dokumentation weicht funktionierenden Produkten bzw. Produktteilen.
  • Der Kunde ist stärker eingebunden und iterative Prozesse ersetzen das alte Phasenmodell „Entwurf – Realisierung – Test“.
  • In kleinen Schritten werden Teilziele realisiert, die ständig vom Kunden gegengeprüft werden.
  • Das Feedback kann sofort in Verbesserungen einfließen.
  • Da das Projekt zum Startzeitpunkt ganz bewusst nicht vollständig ausgeplant wird, ist eine Anpassung an neue Anforderungen und veränderte Rahmenbedingungen auch während der Projektlaufzeit vergleichsweise problemlos möglich.

Und doch: Bei aller Begeisterung zeigt sich in der praktischen Umsetzung, dass das Umdenken im Kopf oft schwerer fällt als gedacht. Alte Denk- und Handlungsmuster halten sich hartnäckig, Vorbehalte in den Teams müssen abgebaut werden, und im Management besteht erfahrungsgemäß sehr viel Erklärungsbedarf zur Vertragsgestaltung agiler Projekte.

Häufig führt außerdem die Werte-Definition des Agilen Manifests zu Missverständnissen. Entgegen vieler Fehlinterpretationen gelten die Werte auf der rechten Seite nämlich auch im agilen Umfeld keinesfalls als unwichtig – die links aufgeführten Werte sind lediglich noch wichtiger! Auch in Scrum oder Kanban sind sinnvolle Prozesse für einen reibungslosen Ablauf unverzichtbar, und selbstverständlich wird auch in agilen Projekten dokumentiert. Doch der ausgefeilteste Prozess nutzt nichts, wenn die Kommunikation im Team nicht passt, und die ausführlichste Dokumentation hilft nicht über Schwächen des Produktes hinweg.

Ein agiles Mindset in Unternehmen zu verankern ist deshalb eine Herausforderung, die oft Monate dauert – die sich aber lohnt! Während das Agile Manifest die Geisteshaltung beschreibt, liefert der Scrum Guide von Ken Schwaber sowie Jeff Sutherland einen Leitfaden für Praktiker, mit genau definierten Rollen und einem Vorgehensmodell.

Update 11/2020

Das Agile Manifest heute

Nach wie vor gilt das Agile Manifest als Fundament agiler Modelle wie Scrum und ist aktueller denn je.

Auch die neue Fassung des Scrum Guides vom November 2020 ist darauf ausgelegt, agiles Arbeiten mit Scrum für ein breiteres Publikum interessant zu machen. Er ist nicht nur kürzer, sondern auch einfacher zu lesen. Alle verbleibenden Begriffe aus dem Bereich der IT-Arbeit, wie zum Beispiel Testen, System, Design, Anforderung und vieles mehr, wurden vollständig entfernt. Ziel ist ein einfaches Rahmenwerk, das es Teams ermöglicht, besser an komplexen Problemen zu arbeiten.

Unabhängig von der verwendeten Methode vor fasst der agile Leitsatz nach wie vor den Grundgedanken des Agilen Manifests zusammen:

„Je mehr du nach Plan arbeitest, desto mehr bekommst du das, was du geplant hast, aber nicht das, was du brauchst.“

 

Lesetipps

Die Website des Agilen Manifests: https://agilemanifesto.org
Die Website der Agile Alliance: https://www.agilealliance.org
Die Website des Scrum Guides: https://www.scrum.org

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Dank langjähriger Erfahrung in der Produktentwicklung ist Giancarlo Girardi der ideale Sparringspartner für Teams, die nicht nur Produkte und Prozesse, sondern auch ihre Zusammenarbeit verbessern möchten. Er versteht sich als Brückenbauer zwischen Menschen und Kulturen.

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