Immer wieder werde ich nach speziellem Know-how zu Skalierungsframeworks wie SAFe, LeSS, Nexus usw. gefragt. Natürlich kennen wir uns bei Teamprove auch damit aus. Aber geht es wirklich nur darum, die geeignete Blaupause auszuwählen –  und voilà, schon funktioniert das agile Großprojekt oder die agile Transition? Offensichtlich nicht, denn sonst würden sich nicht so viele Unternehmen so schwer damit tun. „A fool with a tool is still a fool“: Dieser bekannte Satz bringt es auf den Punkt, wenn sich Diskussionen um das geeignetste agile Framework festbeißen.

Diese Entwicklung war auch auf der diesjährigen Agile World Konferenz in München deutlich zu spüren: Kaum mehr Fokus auf Frameworks oder Vorgehensmodellen, dafür umso mehr Vorträge über die tatsächlichen Erfolgsfaktoren von Skalierung: Vertrauen (ein Vortrag von Teamprove), Lernen, Feedback und Kommunikation, Zielvereinbarung auf Augenhöhe mit OKRs u.v.m.

Joshua Kerievsky, CEO von Industrial Logic, hat diesen Gedanken neu bzw. re-fokussiert. In seiner Keynote „Modern Agile“ definiert er moderne Agilität durch 4 Prinzipien:

  • Make people awesome („Macht Menschen genial“)
  • Make safety a prerequisite („Macht Sicherheit zu einer Grundvoraussetzung“)
  • Experiment & learn rapidly („Experimentiert und lernt zügig“)
  • Deliver value continuously („Liefert laufend Wertvolles aus“)


Bildquelle:
Modern Agile (modernAgile.png)

Bewusst lehnen sich diese Grundprinzipien an das Agile Manifest an, der Basis aller agilen Frameworks. 2001 verfasst hat es bis heute nicht an Bedeutung verloren – und doch ist es ein wenig aus dem Blickfeld geraten. Persönlich habe ich den Hype um agile Skalierungsframeworks in den letzten Jahren oft sehr kritisch gesehen. Umso mehr freut es mich, dass sich agiles Denken heute wieder mehr auf das Wesentliche fokussiert, nämlich die agilen Werte und eine agile Kultur. Letztere kann man zwar bekanntlich nicht direkt „einführen“, aber über geeignete Rahmenbedingungen fördern (oder umgekehrt natürlich auch behindern). Modern Agile beschreibt nicht ganz so abstrakt wie das Agile Manifest, was Agilität im Kern bedeutet und hilft so, besser zu verstehen, wie geeignete agile Rahmenbedingungen aussehen könnten.

Was aber hilft denn nun, Agilität zu skalieren? Darauf hatte Joshua in seiner Keynote ebenfalls eine Antwort: „Modern agile scales, and I can prove it, watch this…“ – und auf dem Beamer erschien die Animation eines zunächst kleinen „Modern Agile“-Logos, das sich innerhalb weniger Sekunden aufblähte, bis es den gesamten Bildschirm ausfüllte.

Ich stimme hundertprozentig zu. Agilität zu skalieren heißt nicht, irgendwelche Prozessframeworks anzuwenden, sondern die grundlegenden Werte und Prinzipien im größeren Rahmen anzuwenden. Das bedeutet: Größere Projekte benötigen noch intensivere Kommunikation, noch höhere Transparenz und noch mehr Experimente als kleine agile Projekte. Und das ist herausfordernd. Mit wenig Aufwand das Ziel schnell erreichen funktioniert bei großen Projekten nicht. Jedes Projekt hat in seiner Organisation seine ganz speziellen Rahmenbedingungen. Deshalb gibt es eben keine Blaupause, die man einfach kopieren könnte, sondern nur die gemeinsamen agilen Werte und Prinzipien.

Und das wird häufig zur Stolperfalle: Nur allzu schnell ist man geneigt, wieder Funktionssilos und Hierarchien aufzustellen, um der Projektgröße Herr zu werden. Kein Wunder, die alten Wege sind bekannt und die Risiken überschaubar.  Der verhängnisvolle Nebeneffekt: Die Agilität geht wieder verloren, Zusammenarbeit weicht gegenseitigen Schuldzuweisungen usw. – obwohl man doch genau das nicht mehr wollte.

Um nicht in diese Falle zu tappen, sind wir bei Teamprove der Meinung, dass externe Unterstützung durch einen agilen Coach sehr wichtig, ja eigentlich unersetzlich ist. Nicht, weil der agile Coach Wissen über agile Tools und Frameworks mitbringt. Die kann jeder kostenlos im Internet recherchieren und ein Hexenwerk sind sie schon gar nicht. Der große Unterschied: Ein externer agiler Coach kommt als neuer Projektmitarbeiter ins Projekt und selbst wenn er rein gar nichts machen würde, wäre zu spüren, dass er als „Fremdkörper“ das soziale System (die Mitarbeiter des Projekts) direkt beeinflusst. Denn als erfahrener Coach mit einem ausgeprägten agilen Mindset ist er sich der Herausforderungen bewusst und steht wie ein „Fels in der Brandung“.

Wenn bei den ersten Problemen der Ruf nach einem agilen Skalierungsframework, einem Lead Product Owner oder Lead Architect laut wird, wird ein guter Agile Coach intervenieren und das Projektteam auf die eigentlichen agilen Werte zurückbesinnen und fragen: Wie können wir uns fokussieren, um nicht zu viel auf einmal zu machen? Wie können wir Transparenz für alle möglich machen, um dezentral entscheiden zu können? Wie können wir ein übergreifendes Alignment erreichen? Angereichert mit agil erprobten Ideen und Herangehensweisen hält der Coach die Grundprinzipien von Agilität aufrecht, die am Ende maßgeblich entscheidend für den Projekterfolg sein können.

Planen Sie auch eine agile Skalierung oder kämpfen Sie bereits mit konkreten Skalierungsproblemen? Wir unterstützen Sie gerne.

Bildnachweis Titelbild: andreii77 /  123rf.com

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Markus Fuchs war als Agile Coach und Scrum Master bei Teamprove tätig.

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