Als ich mich vor zwei Jahren entschloss, eine professionelle Weiterbildung im Bereich systemisches Coaching zu machen, war ich schon nach der ersten Anbieter-Recherche kurz davor, die Segel zu streichen. Die Unmenge an Instituten mit unterschiedlichen Curriculae, Abschlüssen und Zertifikaten ist unübersichtlich und zahlreiche Verbände werben mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Vorzügen. Was mir (und mit Sicherheit auch vielen anderen angehenden Coaches in spe) fehlte: Ein gemeinsamer, verbandsübergreifender Qualitätsstandard hinsichtlich Umfang und Inhalt einer Coach-Ausbildung. 

Neben meinem Frust über die orientierungslose Ausbildungslandschaft stellte sich bei mir auch eine gewisse Demotivation hinsichtlich des Mehrwerts der geplanten Coach-Weiterbildung ein: Wofür das ganze überhaupt, wenn “Coach” kein geschützter Begriff ist? Machte es wirklich Sinn, Zeit und Geld in eine Coach-Ausbildung zu investieren, nur um ein Zertifikat mit zweifelhaftem Wert zu erwerben? Praxiserfahrung im Coaching hatte ich bereits, und über die letzten Jahre hatte ich mir aufgrund meines großen Interesses für dieses Thema autodidaktisch auch jede Menge Coaching-Theorie angeeignet. “Coach” nennen dürfte ich mich schließlich auch ohne irgendeinen Lehrgang oder Abschluss. Reicht doch – oder? 

Stimmt zwar, die Situation war für mich aber trotzdem in vielerlei Hinsicht unbefriedigend: 

  • Woran sollen künftig potenzielle Kund:innen erkennen, welche Qualifikationen ich als Coach mitbringe?

  • Woher wissen Personalverantwortliche in Organisationen, ob sie mit qualifizierten Partnern zusammenarbeiten?

  • Woher wissen Coachees, was sie von mir als Coach erwarten dürfen und was sie “geboten” bekommen sollten?

  • Wie sicher können sich die Coachees fühlen, dass sie wirklich professionell begleitet werden?

  • Wie gleiche ich für mich selbst ab, welchen Anforderungen und Anfragen ich als Coach gerecht werden kann?

  • Wie stelle ich sicher, dass meine (diagnostischen) Fähigkeiten im Rahmen einer Auftragsklärung ausreichen, um zielorientiert unterstützen zu können?

Dann spielte mir der Zufall einen alten Zettel in die Hände. 

Als ich vor einigen Jahren als Vorstand einer Bildungseinrichtung auf der Suche nach systemischer Supervision für die Mitarbeitenden war, hatte ich das Glück, im Familien- und Bekanntenkreis einen kompetenten und erfahrenen systemischen Therapeuten um Rat fragen zu können. Er gab mir damals den Tipp, auf eine Zertifizierung bzw. Mitgliedschaft im DGSF zu achten. Ich machte mir eine entsprechende Notiz, die als Lesezeichen im Fachbuch “Miteinander Reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte” landete. 

Und genau dieses Buch nahm ich zufällig in die Hand, als ich meine geplante Coach-Weiterbildung schon fast abgehakt hatte. Als mir der Zettel entgegenflatterte, machte ich einen weiteren Anlauf und entschied mich für einen Ausbildungsanbieter, der den Kriterien der DGSF entsprach. (Wichtig: Mir ist klar, dass es viele weitere Verbände mit hohen Qualitätsanforderungen gibt – für mich war die Notiz in diesem Moment lediglich der dringend benötigte Leuchtturm in einem Meer an Möglichkeiten). 

Aber mittlerweile bewegt sich etwas in der Coachingszene. So teilte der Coaching-Dachverband Roundtable Coaching e.V. (RTC) mit, dass das erste verbandsübergreifende Qualitätssiegel für Coaches in Deutschland eingeführt wird. Zu den Mitgliedern des Dachverbandes zählen der DGfC, DGSF, EASC, GwG und QRC

Ein weiterer Lichtblick: Prof. Dr. Carsten Schermuly (Berlin University of Applied Sciences) bringt mit seinen Forschungen Coaching in einen wissenschaftlichen Kontext. Auch das wird hoffentlich dazu beitragen, dass Coaching professionalisiert wird und übergreifende Standards geschaffen werden, die zu mehr Klarheit und Orientierung für Organisationen, Coaches und Coachees führen.

Ich hatte das Glück, an einer offenen Vorlesung von Prof. Dr. Carsten Schermuly teilnehmen zu können und teile gerne einige Take-Aways:

  • Coaching wirkt, mögliche Seiteneffekte sind gering.

  • Online-Coaching und Face2Face-Coaching unterscheiden sich hinsichtlich der Seiteneffekte nicht. Im Blended-Coaching hingegen (also bei einer Kombination aus Online- & Face2Face-Sitzungen) sind mögliche Nebenwirkungen erhöht – insbesondere, wenn der Coaching-Start online erfolgt. Die Ursachen sind noch nicht umfassend erforscht.

  • Dauer und Häufigkeit der Sessions stehen nicht in direkter Korrelation mit dem Coaching-Effekt.

  • Nicht überraschend, aber nun auch durch Forschung belegt: Eine gute Auftragsklärung und die Vermeidung von “Themen-Hopping” sind für den Coaching-Erfolg hilfreich, die Beziehungsqualität hat ebenfalls einen hohen Wert.

  • Coaching eignet sich nachweislich für viele Einsatzbereiche, unter anderem Leistungsfähigkeit & Fertigkeiten | Gesundheits- & Wohlbefinden | Bewältigungsstrategien | Einstellung & Haltung | Selbstregulation

Mitgenommen habe ich aus der Vorlesung auch einen sehr bildhaften Vergleich: Coaching ist wie ein Breitbandantibiotikum – es kann für viele Bereiche eingesetzt werden und hat kaum Nebenwirkungen.

Sie möchten mehr über unser Coaching-Angebot erfahren oder sind ganz konkret auf der Suche nach einem professionellen Coach?

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Tipp: Die nächste offene Schnuppervorlesung von Prof. Schermuly zum Thema “Wie wirksam ist Coaching” findet am 17. Januar 2024 statt, es ist wirklich empfehlenswert!

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Als "Generalistin mit Tiefgang" bricht Wibke Arnold eingefahrene Muster auf, gestaltet inspirierende Arbeitsumgebungen und verschlankt operative Prozesse – für einen individuellen Way of Work ohne Fokus auf Methoden-Hypes.

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