Was haben Dropbox, AirBnB und Adobe gemeinsam? Diese Unternehmen haben auf dem Weg zum Erfolg viele Frösche geküsst – und mussten vermutlich auch die eine oder andere Kröte schlucken. Und doch zählen sie heute in ihrem jeweiligen Segment zu den Marktführern. Nach ihren Erfolgsgeheimnissen gefragt, taucht bei allen drei Unternehmen das Zauberwort „Lean Startup“ auf.

Lean Startup – ein Mindset nicht nur für Gründer

Eric Ries entwickelte Lean Startup als Reaktion auf das Platzen der dotcom-Blase – eine radikale Herangehensweise an die Entwicklung von Unternehmen, Produkten und Services, mit dem Ziel die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns zu minimieren. Dabei ist Lean Startup keine wissenschaftliche Theorie, sondern ein praxisnahes Mindset, das auf dem Gedankengut bekannter Ökonomen und Visionäre basiert, u.a. Lean Thinking (James P. Womack / Daniel T. Jones), Customer Development (Steve Blank) und Business Model Canvas (Alexander Osterwalder).

2008 beschrieb Ries seine Methodik erstmals auf seinem Blog „Startup Lessons Learned“. Das 2011 veröffentlichte Buch „The Lean Startup“ wurde schnell zur Bibel des Silicon Valley – und auch etablierte Unternehmen entdeckten Lean Startup als Katalysator für die Produktinnovation.

„Entrepreneurs are everywhere.“ Eric Ries

Innovation mit Methode

Die digitale Transformation schafft große technologische und kulturelle Veränderungen. Der Innovationsdruck steigt, Produktlebenszyklen werden immer kürzer und zahlreiche Geschäftsmodelle sind im Umbruch. Nur wer schneller lernt als die Konkurrenz, wird unter den Gewinnern sein. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, stehen große Unternehmen deshalb vor ähnlichen Herausforderungen wie Gründer:

Etwas zu entwickeln …

  • das der Markt sucht
  • wofür der Kunde bereit ist zu zahlen
  • das technisch umgesetzt werden kann
  • und zwar so schnell wie möglich

Statt langfristiger Planungen müssen Unternehmen flexibel und risikofreudig agieren, „Entrepreneurship“ in ihre Organisation holen. Genau diesem Bedarf nach Geschwindigkeit, Kundennähe und einer hohen Lernkurve wird Lean Startup gerecht.

Mit KISS von der (richtigen) Idee zum Produkt

Lean Startup funktioniert nach dem KISS-Prinzip („Keep it short and simple“). Also raus aus dem Elfenbeinturm. Umsetzen statt Planen. Alles dreht sich darum, schnell einen Wert für den Kunden zu generieren, eine erste (abgespeckte) Produktversion auf den Markt zu bekommen und diese dann mit Hilfe des Kunden-Feedbacks laufend zu verbessern und weiter zu entwickeln. Neben starker Kundenorientierung bietet dieser Ansatz einen weiteren Vorteil: Viele Ideen können parallel mit vertretbarem Ressourceneinsatz auf ihre Marktfähigkeit getestet werden.

Für diese enorme Umsetzungsgeschwindigkeit werden Teams benötigt, die in kurzen Iterationszyklen liefern – der Einsatz agiler Methoden ergibt sich quasi von selbst. Aber auch das Management ist gefordert: Häufig scheitert eine Innovationsoffensive nicht an den Teams, sondern an den Führungskräften, die nicht für die nötigen Strukturen und Freiräume sorgen, um Lean Startup wirklich zum Leben zu erwecken – Stichwort Unternehmenskultur.

Dabei ist Lean Startup kein Garant für Erfolg, aber eine hervorragende Basis für Innovation. Denn Unternehmen, die nach Lean-Startup-Prinzipien denken und handeln, gewinnen ein besseres Verständnis für ihre Zielgruppe, was ungemein hilft, die richtigen Produkte zu bauen. Oder umgekehrt die falschen Produkte eben nicht zu bauen.

„Build. Measure. Learn.“ – Baue nichts, was niemand will!

Zentrales Element von Lean Startup ist Validated Learning mittels des Feedback-Zyklus „Build. Measure. Learn.“ – ein kontinuierlicher Evalutionsprozess, um herauszufinden, welche Bedürfnisse die Zielgruppe wirklich hat. Ganz nach dem Motto “Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.” Durch gezieltes Testen der Hypothesen, die für den Erfolg der Idee entscheidend sind, werden Entscheidungen auf der Grundlage von Daten statt Vermutungen getroffen.

  • Machen
    Die Entwicklung eines Produktes oder einer Dienstleistung ist ein Experiment. Auf Basis von Hypothesen wird möglichst schnell ein Prototyp gebaut und echten Nutzern zur Verfügung gestellt.
  • Messen
    Waren die Hypothesen richtig oder falsch? Kommt das Produkt bei der Zielgruppe an? Welche messbare Wirkung erzielt der Prototyp bei den Nutzern?
  • Lernen
    Das Kundenfeedback fließt nun in Änderungen ein und eine zweite Version kommt auf den Markt. Die Produktzyklen bleiben kurz, so dass das Produkt den Wünschen der Nutzer immer besser entspricht.

© Rebeca Zuniga, Flickr

MVP – weil auch im kleinsten Frosch ein Prinz stecken kann!

Wie sieht der optimale Prototyp aus? Um herauszufinden, welches Produkt der Markt braucht, werden alle Funktionen ausgeklammert, die nicht unmittelbar dem Kundennutzen dienen. Die Version 1.0 ist also nie ein fertiges Produkt, sondern das „kleinstmögliche Produkt“, das MVP (Minimum Viable Product). Reduzierte Funktionen, die perfekt umgesetzt sind und als Testballon dienen, ob für das Produkt Nachfrage besteht.

Und dann „get out of the building“! Egal ob Gründer oder Entwicklungsabteilung eines Großkonzerns: Es ist überholt, monatelang am Schreibtisch an 100seitigen Businessplänen oder Entwicklungspräsentationen zu feilen und über den tatsächlichen Kundenbedarf nur zu spekulieren.

Ein gutes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz eines MVP ist der Cloud-Service Dropbox: Die Gründer hatten keinerlei Marketing-Erfahrung, das Risiko schien hoch, die Nachfrage unsicher. Inspiriert von Eric Ries Blog starteten die Gründer 2008 lediglich mit einem Erklärvideo als MVP auf einer Landingpage, angekündigt in einigen Tech-Foren und Fachblogs – und über Nacht trugen 75.000 Interessierte ihre E-Mailadresse auf der Landingpage ein. Auch nach dem erfolgreichen Launch der ersten Betaversion setzte CEO Drew Houston weiter auf kurze Produktzyklen und skalierte innerhalb von 15 Monaten auf 4 Millionen User. 2010 verließ Dropbox die Betaphase und zählt mit aktuell 50 Millionen Usern heute zu den erfolgreichsten Cloud-Diensten weltweit.

Der Pivot: keine Angst vor Kröten!

Ein weiteres wichtiges Element von Lean Startup ist Flexibilität. Fehler und Misserfolge sind keine Schande, sondern eine Möglichkeit zu lernen. „Fail fast, learn faster“: Um Produkte zu bauen, die Kunden lieben, ist Kurskorrektur hilfreicher als sture Planerfüllung. Auch wenn dies hin und wieder nicht nur eine sanfte Adaption, sondern eine radikale Kehrtwende nötig macht – den Pivot.

Beispiele für erfolgreiche Pivots von Pinterest bis PayPal finden Sie bei Interesse hier.

Unternehmen müssen bereit sein, im Rahmen der Validierung eine Geschäftsidee komplett zu überdenken und ggf. auch zu verwerfen. Flexibilität bedeutet aber nicht das wahllose Ausprobieren neuer Geschäftsmodelle, sondern eine Strategieänderung auf Basis von Erkenntnissen und Zahlen – sprich es sollte eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der neue Weg besser ist als der alte.

Pivots können beispielsweise zur einer Änderung der Zielgruppe oder des Produkts führen, zu neuen Vertriebskanälen oder Preismodellen, zur Fokussierung auf bestimmte Features usw.

„Man muss viele Frösche küssen, um auf einen Prinzen zu stoßen!“ Arthur Frey, 3M, Erfinder der Haftnotizen

Wir können Ihnen leider nicht sagen, welcher Frosch das Potenzial zum Prinzen hat – aber wir können dafür sorgen, dass Ihre Suche so strategisch wie möglich verläuft. Ganz ohne Märchen.

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Dank langjähriger Erfahrung in der Produktentwicklung ist Giancarlo Girardi der ideale Sparringspartner für Teams, die nicht nur Produkte und Prozesse, sondern auch ihre Zusammenarbeit verbessern möchten. Er versteht sich als Brückenbauer zwischen Menschen und Kulturen.

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