„Herr Schmidt, Ihre Zielvereinbarung für das nächste Jahr steht an – lassen Sie uns einen Termin für ein Mitarbeitergespräch machen!“ Eine Ankündigung, die nicht immer für Vorfreude sorgt. Viele Mitarbeiter empfinden die jährlichen Zielvereinbarungen eher als lästige Pflicht denn als Motivation. Insbesondere die bei klassischen Führungsinstrumenten übliche Koppelung an leistungsorientierte Boni trägt nicht automatisch zum Unternehmenserfolg bei. Warum ist das so – und was können Unternehmen besser machen?

Die Ziele beider „Parteien“ könnten bei klassischen Gratifikationssystemen nicht gegensätzlicher sein: Während der Vorgesetzte angehalten ist, seine Mitarbeiter durch anspruchsvolle Ziele zu Höchstleistungen anzuspornen, will der Mitarbeiter durch möglichst risikolose Ziele sein Gehalt optimieren. Die Folge: Das Potenzial wird bei Methoden wie MbO (Management by Objectives) nicht voll ausgeschöpft. Statt gemeinsam eine Vision für das Unternehmen zu verfolgen, verlieren sich Zielvereinbarungen in einem ermüdenden Tauziehen um Prozentpunkte. Ein Problem, das zwar nicht neu ist, das sich Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation aber nicht länger leisten können.

MbO hat ausgedient

Kunden sind weltweit vernetzt, der nächste Shop ist nur einen Mausklick entfernt und das Trendprodukt von heute schnell Schnee von gestern. Zielvereinbarungen über einen Zeitraum von 12 Monaten? In dynamischen Märkten utopisch. Immer kürzere Innovationszyklen und der Kundenwunsch nach mehr Individualisierung zwingen Unternehmen zum Umdenken: Nicht nur die Geschäftsmodelle müssen hinterfragt werden, sondern auch die Unternehmenskultur und damit die Führungsmethoden. Immer mehr Personalabteilungen denken deshalb um und wagen den Wandel von überholten Managementkonzepten wie MbO zu agileren Zielvereinbarungen. Eines der populärsten Frameworks ist OKR (Objectives and Key Results) – im Silicon Valley bereits fest etabliert und seit einigen Jahren auch in Europa auf dem Vormarsch.

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Video von OKR-Pionier Google „How Google sets goals“
Video Screenshot How Google Sets Goals
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OKR in 100 Wörtern

OKR (Objectives and Key Results) ist eine Weiterentwicklung klassischer Managementmethoden. Das Konzept basiert darauf, die Vision des Unternehmens mit den Zielen der einzelnen Mitarbeiter zu synchronisieren, so dass alle am gleichen Strang ziehen. Die Zyklen sind kurz, die Ziele ambitioniert, messbar und für alle transparent. Und es gibt keinerlei Sanktionen bei Nichterreichung. OKR entstand in den Siebziger Jahren bei Intel unter Mitgründer Andy Grove. 1999 führte der US-Manager John Doerr die Methode bei Google ein – das wohl bekannteste OKR-Testimonial. Heute arbeiten internationale Unternehmen wie Twitter, Apple und LinkedIn, aber auch deutsche Unternehmen wie Zalando, mymuesli und PosterXXL mit OKR.

Die Vorteile: Was bringt OKR genau?

“Shoot for the moon. Even if you miss, you’ll land among the stars.”  Norman V. Peale

Erfolgreiche Manager haben eine Vision, wo ihrUnternehmen in den nächsten Jahren stehen soll. Und sie sorgen dafür, dass auch ihre Mitarbeiter wissen, was konkret dafür getan werden muss. Da der Ansatz über von oben vorgegebene Ziele und extrinsische Motivation (Boni etc.) den Anforderungen digitaler Märkte nicht gerecht wird, setzen immer mehr moderne Unternehmen auf OKR. Agile Leader haben erkannt, dass nur hochmotivierte Mitarbeiter vollen Einsatz leisten, und sichern sich deshalb das Commitment des Teams zur Zieldefinition. OKR bietet den passenden Prozessrahmen, der agile Werte wie Kommunikation, iteratives Arbeiten, Fortschritt und Transparenz optimal unterstützt.

#1: OKR zwingt zur Fokussierung auf das Wesentliche

Eine wichtige OKR-Regel lautet: Jede Einheit (Abteilung / Team / Mitarbeiter) beschränkt sich auf maximal fünf Ziele (Objectives) mit jeweils höchstens vier Schlüsselergebnissen (Key Results). So ist gewährleistet, dass jedes Ziel kritisch hinterfragt wird, ob es tatsächlich der Verwirklichung der Unternehmensvision nützt. Alle konzentrieren sich auf die aktuell wichtigsten Punkte und können sich bestmöglich aufeinander abstimmen. Ausgangspunkt ist die Vision der Management-Ebene. An dieser orientieren sich die Teams bei der Formulierung ihrer OKRs, die wiederum als Basis für die OKRs der einzelnen Mitarbeiter dienen. Dabei werden die Ziele nicht von oben vorgegeben, sondern mit den Mitarbeitern verhandelt. Jeder überlegt, wie er mit seiner Arbeit am besten zum „Big Picture“ beitragen kann und schlägt entsprechende Ziele vor.

Tipp: Lassen Sie Kritik an Zielen höherer Ebenen zu! Das Besondere an OKR ist, dass freies Denken erlaubt (und gewünscht) ist. Sprich OKR kombiniert Top-Down und Bottom-Up und gleicht kontinuierlich Unternehmensziele mit Mitarbeiterzielen ab – vom Management bis zur Basis.

OKR Formulierung

„Objectives“ sind herausfordernd und visionär, die ergänzenden „Key Results“ sind hingegen konkrete Meilensteine, deren Ergebnisse sich quantitativ messen lassen.

Objective: „Platz 1 für unsere Firmenwebsite bei Google!“
Key Result 1: Verbesserung der Ladegeschwindigkeit der Startseite auf unter 2 Sekunden
Key Result 2: Erhöhen der Verweildauer um 25 % (Einstellen von mind. 1 Unternehmensnews / Woche)
Key Result 3: Umstellung auf Responsive Design
Key Result 4: Einbinden von Bewegtbild (Produktion eines Unternehmensvideos)

#2: OKR fordert ambitioniertes Denken

Ein entscheidender Faktor des OKR-Konzepts sind Visionen. Deshalb werden „Shoot-the-Moon“-Ziele definiert, also ganz bewusst außerhalb der vollständigen Erreichbarkeit. Der Gedanke dahinter: Sicherheitsdenken bremst die Unternehmensentwicklung, deshalb soll jeder Mitarbeiter seine Komfortzone verlassen.

Tipp: Erfahrungsgemäß fällt es vielen Mitarbeitern anfangs schwer, Ziele zu priorisieren und mutige OKRs zu formulieren. Hilfreich ist es, im ersten Schritt – ggf. gemeinsam mit einem externen Coach – Ideen für Objectives zu sammeln und diese nach und nach zu Clustern zu verdichten. Im zweiten Schritt werden dann geeignete „Messlatten“ für Key Results hinterlegt und auf ihre Risikobereitschaft hin geprüft.

#3: OKR kommt ohne Boni aus, der Fokus bleibt auf dem Ziel

Da für alle Key Results messbare Indikatoren definiert werden, ist der Fortschritt zu jeder Zeit objektiv nachvollziehbar. Im Unterschied zu MbO dient die Evaluation allerdings nicht als Grundlage für Boni oder andere Gratifikationen, sondern als Datenbasis für den nächsten OKR-Zyklus. Es gibt keine Sanktionen und keine schlechten Ergebnisse – lediglich unerreichte Ziele. Bei Google gilt eine Zielerreichungsquote von 60 bis 70 Prozent als optimal. Liegt der Wert höher, waren die Ziele nicht ehrgeizig genug.

Tipp: Übernehmen Sie Ziele, die nicht erreicht wurden, nicht automatisch ins nächste Quartal! Wenn Sie diese Aufgabe in den letzten 3 Monaten nicht erledigt haben, war sie vielleicht nicht so wichtig wie ursprünglich gedacht? Überlegen Sie genau, ob es sich lohnt, an diesem Ziel festzuhalten oder ob Sie einen anderen Fokus setzen sollten.

#4: OKR erhöht die Transparenz

Eine agile Unternehmenskultur erfordert Transparenz – das gilt auch für OKR. Bedeutet in der Praxis:  Alle OKRs, egal ob Manager oder Teammitglied, Unternehmens- oder Teamebene, sind firmenweit öffentlich und sehr einfach einsehbar, sei es in einem speziellen Software-Tool oder in kleinen Unternehmen schlicht am Whiteboard. Jeder kennt die Prioritäten von Vorgesetzten und Kollegen und kann unmittelbar nachvollziehen, wie sich die eigenen Aktivitäten auf die OKRs anderer Mitarbeiter auswirken.

Tipp: In vielen Unternehmen hat es sich bewährt, auch erfolglose OKRs zu dokumentieren und verfügbar zu machen. Die OKR-Owner stehen als Ansprechpartner zur Verfügung, so dass auch nicht erreichte Ziele einen nachhaltigen Lerneffekt für das gesamte Unternehmen haben können.

#5: OKR fördert die Kollaboration

Da die Ziele aller Mitarbeiter aufeinander abgestimmt werden sollen, verbessert sich die Kommunikation und das Wir-Gefühl im Unternehmen. Beispielsweise können manche OKRs nur in interdisziplinären Teams bearbeitet werden, und da jeder die Ziele der anderen kennt, lassen sich unbeabsichtigte Blockaden vermeiden und Synergien nutzen.

Tipp: Unterstützen Sie durch die Gestaltung des Arbeitsumfeldes die Kommunikation im Team und den Austausch zwischen den Abteilungen – sei es durch Begegnungsorte wie eine Team-Cafeteria, einen Kicker im Foyer oder Firmensport-Angebote.

#6: OKR unterstützt die digitale Transformation

Dank kurzer Zyklen von üblicherweise 3 Monaten ist OKR optimal an schnelle, kundenorientierte Märkte angepasst. Unternehmen können dynamisch agieren und entwickeln sich iterativ weiter – Stichwort „Fail Fast“. Regelmäßiges Feedback und daraus resultierende Anpassungen vermeiden die Trägheit klassischer Zielvereinbarungsmethoden wie MbO: Wird hier der Fokus falsch gesetzt oder ändern sich die Rahmenbedingungen, rennen Mitarbeiter im schlechtesten Fall 12 Monate in die falsche Richtung.

Tipp: OKR eignet sich perfekt für Unternehmen, die nach Lean-Startup- Prinzipien oder mit Design Thinking arbeiten.

#7: OKR ist ein leichtgewichtiges Framework

Die OKR-Methodik ist leicht zu erlernen, denn sie arbeitet mit einem schlanken Regelwerk. Es gibt nur wenige Rollen, Artefakte und Events – diese sollten aber auch tatsächlich in die Unternehmensprozesse implementiert werden, denn jedes Element erfüllt eine wichtige Aufgabe im Gesamtkonzept.

  • OKR-Master
    Als Experte für OKR begleitet er sowohl das Management als auch einzelne Mitarbeiter bei der Einführung der neuen Zielvereinbarungsprozesse. Der OKR-Master ist Coach, Trainer, Problemlöser und Prozess-Wächter in einer Person.
  • Workshops
    Moderiert durch den OKR-Master werden gemeinsam Ideen für den nächsten Zyklus gesammelt – vom Praktikant bis zum Geschäftsführer.
  • Reviews
    Am Ende eines Zyklus wird im Rahmen von Reviews ausgewertet, ob die OKRs erreicht worden sind.
  • Retrospektiven
    Das Team blickt auf den Zyklus zurück und überprüft, wo die OKR-Prozesse bereits gut funktionieren und wo es noch hakt – entscheidend für eine kontinuierliche Verbesserung.
  • OKR-Liste
    Die OKR-Liste bildet für alle einsehbar die Objectives und Key Results des gesamten Unternehmens ab, von der Unternehmens- und Teamebene bis zum einzelnen Mitarbeiter.

Ein Blick von außen hilft

OKR ist ein wesentliches Element Ihres Change Managements – und Veränderungen rufen häufig auch Unsicherheiten oder sogar Widerstände hervor. Hier hilft die Begleitung durch einen externen OKR-Coach, der Prozesse priorisiert, Probleme abfedert und in der Startphase die ersten Workshops leitet. Sie spüren: Wir sind leidenschaftliche OKR-Fans. Gerne geben wir diese Begeisterung an Sie und Ihr Team weiter!

Gesprächsbedarf?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit OKR gesammelt oder möchten Sie diesen Managementansatz besser kennenlernen? Ich tausche mich gerne mit Ihnen aus. Ganz unverbindlich.

Matthias Pauers

Geschäftsführer

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Markus Fuchs war als Agile Coach und Scrum Master bei Teamprove tätig.

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