Wenn ich schwimme, dann schwimme ich. Wenn ich Rad fahre, dann fahre ich Rad. Wenn ich laufe, dann laufe ich. Und wenn ich schlafe, dann … schlafe ich?

Sicher haben Sie diese Geschichte über einen buddhistischen Zen-Meister auch schon einmal so ähnlich gehört, oder? Ich habe sie heute für Sie leicht abgewandelt, da mir bei einem Triathlon die Kraft des Fokussierens sehr deutlich geworden ist.

Wenn Sie jetzt auf Ihrem Sofa oder im Garten sitzen und diese Zeilen lesen, halten Sie einmal bitte Rückschau auf Ihren gestrigen Tag:

Waren Sie gehetzt? Wurden Sie gehetzt? Haben Sie beim Mittagessen nebenbei gearbeitet? Oder beim Arbeiten nebenbei gegessen? Haben Sie mit einem Kollegen gesprochen (im Video-Call) und nebenbei wichtige E-Mails gecheckt?

Rein gedanklich abgelenkt sein geht natürlich genauso gut: Beim Essen denken Sie an die Arbeit, bei der Arbeit denken Sie, was es später zu essen geben soll, an Schlaf war nicht zu denken, da noch alles in Ihrem Kopf umherflog? Hört sich nach normaler Realität an, oder?

Das Ganze lässt sich noch sehr gut auf die Spitze treiben: Sie hetzen von einem Termin zum nächsten, zum Luft holen hat auch ihr Gehirn keine Zeit mehr, mit dem einen Fuß sind Sie noch im letzten Meeting, mit dem anderen schon im nächsten. Vielleicht hetzen Sie sogar unbeabsichtigt Ihre Kollegen um den virtuellen “Sportplatz”. Bevor der andere schon zu Ende gesprochen hat, haben Sie die Ziellinie schon erreicht und präsentieren Ihr Ergebnis auf dem Siegerpodest. Auch noch realistisch, oder?

Soll das unser Modell von “New Work” sein?

Wir machen alles gleichzeitig und vermischen unsere Tätigkeiten aus dem privaten und beruflichen Bereich “perfekt” miteinander? Sicher hilft Bewegung beim Denken, “Walk & Talk” finde ich persönlich sehr gelungen und die Bügelwäsche und eine parallele Telko vertragen sich vielleicht auch ganz gut. Aber: Wissen wir am Ende des Tages immer noch, was wir mit wem in welchem Meeting besprochen haben?

So ähnlich ist es, wenn Sie beim Autofahren in Gedanken ganz besonders an einem Thema “herumtüfteln” und so tief versunken sind, dass sie gar nicht mehr wissen, wie Sie den Weg nach Hause gefunden haben? Der Fokus liegt auf dem Thema, das ist gut, aber eigentlich gehört der Fokus auf die Straße, die vor Ihnen liegt, oder?

Tipp: Achten Sie auf die Wechselzonen und machen Sie eine Disziplin nach der anderen!

Ich bin überzeugt: Unser aktueller Work-Life-Style, in dem wir zu viele Dinge gleichzeitig machen, lässt uns am Leben vorbei rauschen. Am Ende des Tages haben wir oft nicht wirklich gesehen, gehört, geschmeckt, verstanden, was uns das Leben schenkt und was unsere Mitmenschen und Kollegen uns wirklich mitteilen wollten, oder? Die Qualität der Ergebnisse leidet ebenso. Am Ende sind wir oft kraftlos, ausgelaugt, rennen weiter und weiter, denken weiter und weiter.

Hier kann uns ein Blick in die Sport-Welt helfen (als Rennradfahrerin habe ich mich einmal in einem Gesamt-Triathlon versucht): Ein bisschen ist es so, als würden wir auf einem Triathlon statt zu schwimmen mit dem Schwimmanzug radfahren, mit Rad-Dress und Helm die Laufstrecke absolvieren (“aua” bei Klickschuhen) und mit den Laufschuhen schwimmen (die Schuhe laufen voll mit Wasser) oder eben alles gleichzeitig versuchen. How terrible!

Das Wichtigste im Triathlon: Die Wechselzone!

Die Wechselzonen zwischen Schwimmen, Radfahren und Laufen gelten als vierte Triathlon-Disziplin. Denn die Umzieh-Phasen sind gleichzeitig Wechselzonen für das Herzkreislaufsystem, das aus der einen Disziplin herunterfährt und sich einstellen muss auf die nächste Disziplin. Ich habe das einmal vollkommen unterschätzt und war beim Wechsel vom Rad auf die Laufstrecke sehr erschrocken darüber, welche Pump-Aktionen mein Herz vollbringen musste.

Diese Phasen müssen vorher trainiert werden. Nicht nur, dass ich vorher die passende Kleidung und das Equipment auswähle, sondern ich muss diese auch entsprechend vorbereiten, einsetzen und das schnellstmögliche An-und Ausziehen trainieren. Ich investiere also eine gewisse Zeit in die Vorbereitung und Nachbereitung.

Aber dann, wenn ich im Wasser, auf dem Rad oder auf dem Feld bin, bewege ich mich in der jeweiligen Disziplin. Da brauchen meine Muskeln meine ganze Aufmerksamkeit und Fokus, weil jedes Mal andere Muskeln gefordert werden. Andernfalls verliere ich meine Kraft im Wasser, beim Laufen oder auf dem Rad und ich erreiche nicht mein Ziel oder kippe ganz aus den “Latschen”.

Was bedeutet das für unseren Arbeitsalltag?

In einer Arbeitswelt, in der nicht nur der “Work-Load” immer größer wird, sondern auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer stärker verschwimmen (Stichwort Work-Life-Blending), müssen wir unsere “Wechselzonen” planen und trainieren:

  • Bereiten Sie sich auf jeden Termin vor, stimmen Sie sich auf den Termin ein, bereiten Sie das Gespräch nach. Sie gewinnen insgesamt Zeit dadurch.
  • Fokussieren Sie sich auf den jeweiligen Termin, in dem Sie sich befinden, so kommen Sie schneller ans Ziel.
  • Leben Sie im Hier und Jetzt, schauen Sie Ihr Gegenüber aufmerksam an, hören Sie zu, um wirklich zu verstehen, worum es geht und wie es dem anderen geht.
  • Bewegen Sie sich zwischendurch ein wenig und holen Sie Luft!
  • Wenn Sie in Arbeit schwimmen, essen Sie nicht dabei! Sie könnten untergehen!
  • Wenn der Triathlon zu Ende Ist, streifen Sie Ihren Sportdress ab und feiern Sie mit sich oder anderen Ihren Erfolg.
  • Wenn Sie nach der Arbeit essen, trinken, quatschen, genießen Sie den Feierabend. Steigen Sie nicht mehr in Ihren “Kampfdress”. Klar, der muss wieder frisch gemacht werden und Ihre Muskeln auch.

Wenn Sie die “Wechselzonen” richtig trainieren, sich also richtig auf den Wechsel für die nächste Disziplin, den nächsten Termin, das nächste Gespräch oder Ihren Feierabend vorbereiten und dann noch den dazu passenden Dress anziehen, läuft es besser und Sie können garantiert am Ende des Tages besser schlafen, glauben Sie mir! Sie gehen ja auch nicht im Schlafanzug zum Triathlon, oder?

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Ursula Niehaus war als Organisationsentwicklerin bei Teamprove tätig.

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