Als mir das erste Mal in einem Feedback-Gespräch gesagt wurde “Ich kann mir dich gut als Mediatorin vorstellen, du hast da irgendwie ein Händchen für”, da dachte ich: “Mediatorin? Was soll das bitte sein?” Als mir diese Rolle als Vermittler:in zwischen Parteien in Konflikten erklärt wurde, war meine spontane Reaktion: “Aber ich hasse doch Konflikte!”

Mediationsausbildung: Warum eigentlich nicht?

Da ich aber immer wieder auf meine Streitschlichter-Kompetenz angesprochen wurde, überlegte ich mir: Warum eigentlich diese Stärke nicht ausbauen? Bei Teamprove habe ich ein Weiterbildungsbudget zur Verfügung und sehe in meinem Alltag bei Kunden häufig Ideen aufgrund von unterschwelligen Konflikten scheitern. Also machte ich mich auf die Suche nach einem passenden Anbieter für eine Mediations-Ausbildung. Der Anbieter sollte die Anforderungen zur Rechtsverordnung und zum Mediationsgesetz erfüllen, außerdem waren mit folgende Punkte wichtig:

  • Angebot einer Zertifizierung und die Begleitung dorthin
  • Möglichkeiten, die Mediation zu üben (z.B. durch Rollenspiele)
  • Aufbau von Intervisionsgruppen
  • Mehr als die Mindestanzahl an Ausbildungsstunden (120 Stunden)
  • Unterstützung durch Supervision vor, bei und nach der Zertifizierung
  • Eine kleine Gruppengröße

Die Begleitung zur Zertifizierung war mir besonders wichtig, denn nur dann darf ich mich Mediatorin nennen und als solche praktizieren – und das war ja schließlich mein Ziel.

Einige Recherche-Stunden später wurde ich fündig und startete im Januar 2022 mit meiner Ausbildung zur Mediatorin bei RheinMediation in Köln. Die Ausbildung wird gemeinsam mit klären & lösen aus Berlin angeboten, mit einem bunten Strauß an Schwerpunkten, von Familienmediation über Mediation in Organisationen & Teams bis hin zu Mediation mit interkulturellen Hintergründen. In meiner beruflichen Tätigkeit in der Organisationsberatung und Teamentwicklung kann dieses breite Spektrum sicher nicht schaden – schließlich ist ein Team bzw. eine Organisation auch so eine Art Familienkonstrukt mit unterschiedlichen Kulturen.

Meine Definition von Mediation

Wenn man mich vor einem Jahr gefragt hätte, was ich unter Mediation verstehe, hätte ich vermutlich geantwortet:

“Ein Prozess, der von einer dritten Person in Konfliktsituationen geleitet wird, um Missverständnisse zu vermeiden und eine harmonische Situation wiederherzustellen.”

Heute, kurz vor dem Ende meiner Ausbildung, würde ich anders antworten:

“Mit Mediation ermöglicht man Konfliktparteien, sich gegenseitig zuzuhören und zu verstehen, sodass sie in einer gemeinsamen Sprache eine für sich passende und nachhaltige Lösung für ihre Situation / ihren Konflikt erarbeiten können.”

Der Unterschied der beiden Definitionen liegt in der Verantwortungsübernahme. Ähnlich wie beim Coaching: In meiner ersten Definition liegt die Verantwortung für eine Lösung bei mir als Mediatorin. In der zweiten Definition bin ich für den Prozess verantwortlich, nicht aber für die Lösung. Wenn ich für die Lösung verantwortlich wäre, ist das, als würde ich Schreiner:innen sagen, wie sie einen Stuhl zu schreinern haben – obwohl ich keine Ahnung von der Arbeit mit Holz habe und nur einen kleinen Ausschnitt sehe. Schreiner:innen wissen am besten, welche Lösung für den Stuhl die beste ist.

Was ich in der Ausbildung gelernt habe

Sehr zentral war für mich das Rollenverständnis, dass ich als Mediatorin nicht für das Ergebnis bzw. die Lösung verantwortlich bin, sondern für den Prozess. Drei weitere wichtige Aspekte möchte ich hier gerne teilen:

1. Das Problem / Die Lösung muss durch den Bauch

Wie bereits erwähnt, bin ich (wie viele Menschen) eher konfliktscheu und freue mich über Harmonie und gute Laune. Aber wenn ein Problem gelöst werden muss, wird es eben manchmal emotional – und das ist meist nicht harmonisch und mit guter Laune verbunden. Die Probleme, aus denen ein Streit entsteht, sind meist nur die Spitze des Eisbergs. Meist liegen die eigentlichen Unstimmigkeiten viel tiefer und basieren auf Erfahrungen, die wir gemacht haben. Und mit diesen Erfahrungen sind bestimmte Emotionen oder Verhaltensweisen verknüpft. Diese Emotionen und Verhaltensweisen liegen nicht im Kopf (unserem rationalen Part), sondern im Bauch.

Was heißt das für die Konfliktlösung? Das Problem muss zwar auf der Sachebene beschrieben werden (z.B. “Wer bekommt bei einer Trennung den Hund?”), aber auch die entsprechenden Bedürfnisse (z.B. Partner für einsame Stunden), Wünsche (z.B. gute Pflege) und Ängste (z.B. Alleinsein in der Wohnung) dürfen, sollen und müssen ans Licht kommen. Dieser sogenannte Perspektivwechsel ist Voraussetzung, um die Beweggründe der anderen Partei nachvollziehen zu können und auf dieser Basis dann eine gemeinsame Lösung für das Problem auf der Sachebene zu finden.
Der Problemlösungsprozess sieht also wie folgt aus: Kopf → Bauch → Kopf

2. Spiegeln, spiegeln, spiegeln

Zu Beginn der Mediationsausbildung dachte ich, dass Mediator:innen den Konfliktparteien zuhören und nur dann etwas in das Gespräch einwerfen, wenn sie das Gefühl haben, dass eine Partei das Gesagte anders wahrgenommen hat, als es gemeint war.

Die Realität ist zwar ähnlich, aber noch weitreichender. Es geht um aktives Zuhören. Ich schalte mich als Mediatorin also nicht nur ein, wenn ich glaube, dass ein Missverständnis vorliegt, sondern ich tausche mich aktiv mit den Parteien darüber aus, was ich gehört bzw. verstanden habe. So gebe ich den Parteien nicht nur das Gefühl verstanden zu werden, sondern ich unterstütze aktiv die Vermeidung von Missverständnissen, bevor sie überhaupt entstehen (wobei es auch okay ist, wenn es in Mediationen Missverständnisse gibt).

Indem ich kontinuierlich meine Interpretation des Gesagten mit den Parteien abgleiche, erhalten alle im Raum anwesenden Personen ein einheitliches Bild der Wahrheit BEIDER Parteien. Und zwar unabhängig davon, ob ich mich nur auf eine Person fokussiere oder mit beiden Parteien in einem Dreiecksgespräch befinde.

Das ist mir am Anfang ehrlich schwer gefallen. Vor allem, weil ich häufig dachte: “Ist doch ganz klar, was die Person damit meint” und deshalb meine Interpretation für mich behalten habe. Das kann zum Scheitern der Mediation führen, wenn beide Parteien in ihren eigenen “Bildausschnitten” bleiben und kein einheitliches Bild der Situation entwickeln. Hier übernehmen Mediator:innen deshalb eine anfangs ungewohnte, aber für den Erfolg der Mediation sehr wichtige Aufgabe.

3. Zu zweit ist besser als allein

In einer der ersten Stunden bekamen wir die Empfehlung: “Am besten mediiert ihr immer zu zweit!” Ich weiß noch, dass ich damals dachte: “Warum das denn? Traut ihr mir nicht zu, dass ich das alleine kann? Da quakt mir doch dauernd jemand dazwischen!”

Doch im Lauf der letzten Monate habe ich gelernt und verstanden, dass es deutliche Vorteile hat, zu zweit zu mediieren:

Mediator:innen sollen unparteiisch sein. Doch ich habe Erfahrungen in meinem Leben gemacht, die mich geprägt haben und die dazu führen, dass ich manche Verhaltensweisen sympathischer und andere unsympathischer finde. Mediator:innen sind auch nur Menschen. Wenn wir zu zweit sind, kann der/die andere mir Feedback geben, dass ich gerade nicht unparteiisch wirke – oder im Zweifelsfall diese Gesprächssituation übernehmen.

Ein weiterer Pluspunkt einer gemeinsamen Mediation ist, dass unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen auf die Medianden treffen. Erkläre ich beispielsweise, wie ein Baum aussieht, und erhalte nur fragende Blicke, kann mein:e Co-Mediator:in mit anderen Worten vielleicht einen Aha-Effekt erzielen – und umgekehrt.

Unterschiedliches Know-how hat noch einen weiteren Vorteil: Angenommen, ich übernehme eine Mediation, bei der es neben meinem Fachgebiet Organisationsentwicklung auch um rechtliche Fragen geht, bin ich gut beraten, eine:n Co-Mediator:in mit entsprechenden Know-how zu wählen und so verschiedene für die Medianden wichtige Bereiche abzudecken.

Was ich für mich in den Alltag mitnehme

Ich bin sehr dankbar, dass ich das Thema Mediation für mich entdeckt und die Ausbildung gemacht habe. Ich gehe jetzt ganz anders mit Konflikten um und sehe diese nicht als rotes Tuch, sondern vielmehr als eine Chance, Frieden zu schließen und vorwärts zu kommen. Ich kann sowohl meine Bedürfnisse als auch die von anderen besser artikulieren. Mein “Vokabular” an Emotionen ist deutlich gewachsen und ich habe die Fähigkeit (weiter)entwickelt, auch in negativen Dingen etwas positives zu finden.

Das bedeutet nicht, dass ich in Zukunft mit Anlauf in jeden potenziellen Konflikt renne. Aber ich empfinde weniger Unbehagen bei Konflikten, egal ob es meine eigenen sind oder die von anderen. Denn ich weiß: Ein Konflikt klärt auf, löst ein Problem und schafft so Platz für Neues.

Ich freue mich sehr darauf, meine weiterentwickelten und neuen Fähigkeiten bei unseren Kunden für ein gutes Miteinander einzusetzen. Häufig erlebe ich in Unternehmen, dass unterschwellige Konflikte die Zusammenarbeit hemmen oder lähmen und jetzt kenne ich viele Werkzeuge und Möglichkeiten, um hier wieder neuen Schwung reinzubringen.

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Maria Langner versteht sich als Impulsgeberin für Teams, die sich weiterentwickeln möchten. Ihr Ziel: Werthaltige Ergebnisse mit der richtigen Balance zwischen agiler Flexibilität und sinnvoller Planung. Dafür bringt sie als Mediatorin und Motivatorin verschiedene Sichtweisen zusammen.

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