Wie viele Gedanken machen sich Unternehmen eigentlich über das wertvollste Gut ihrer Kunden? Nein, nicht über Geld, sondern über Zeit! Denn Kunden erbringen inzwischen immer häufiger zeitintensive, unvergütete Dienstleistungen für Verkäufer.

Egal ob B2C oder B2B: Mit zunehmender Digitalisierung findet eine Verschiebung administrativer Tätigkeiten auf die Kunden statt. Dokumente scannen, Vertragsdaten erfassen, persönliche Angaben aktualisieren, Fotos hochladen – viele dieser Aufgaben, die früher von Sachbearbeitenden des Anbieters erledigt wurden, übernehmen heute die Kunden selbst. Die Kunden investieren also ihre Zeit und ihre Ressourcen in die eingekaufte Leistung. Ein Paradoxon.

Unter dem Strich eingesparte Arbeitszeit? Null. Preisvorteil für den Kunden im Vergleich zur klassischen Abwicklung? Kaum spürbar. Der einzige Benefit auf Kundenseite: Wartezeiten im Prozess werden verkürzt. Genau genommen wird also die Unterstützung der Kunden eingefordert, um deren Bedürfnis nach Geschwindigkeit zu befriedigen. Für Unternehmen und Organisationen hingegen ist diese Verschiebung von Tätigkeiten ein großer Effizienz- und Kostensenkungsfaktor, insbesondere in Zeiten des Personalmangels.

Betrachten wir das “Zeitgeschenk” der Kunden an die Unternehmen etwas genauer:

Früher wurden die Sachbearbeitenden in den Unternehmen im Umgang mit der nötigen Software und den damit verbundenen Abläufen geschult. Sie wickelten diese Tätigkeiten mit hoher Wiederholungsrate ab – fachlich qualifiziert und routiniert. Funktionierte die Technik nicht, war der unternehmensinterne IT-Support nur einen Anruf entfernt.

Kunden hingegen erhalten keine Einarbeitung, sondern sind von der Qualität der zur Verfügung gestellten Software-Oberflächen abhängig. Im besten Fall sind diese selbsterklärend und intuitiv bedienbar.

Darüber hinaus stellen Kunden kostenfrei ihre Infrastruktur zur Verfügung, um alle notwendigen digitalen Interaktionen durchzuführen. PC, Tablet, Handy, Drucker, Scanner, spezielle Apps, performantes WLAN werden vorausgesetzt. Unabhängig vom Alter, dem technischen Know-how und dem Budget der Kunden.

Diese Verschiebung administrativer Tätigkeiten geschieht an vielen Punkten der Prozesse. Auf Seite der Unternehmen wächst also der Effizienzvorteil stetig, während auf Kundenseite der “Workload” zunimmt, den diese für die Anbieter erledigen.

Nehmen wir als Beispiel Versicherungen: Allein die sechs gängigen Versicherungen Krankenversicherung, Privathaftpflicht, Kfz-Versicherung, Hausrat- und Wohngebäudeversicherung werden inzwischen in nahezu jedem Haushalt vom Kunden mit administriert. Häufig bei verschiedenen Anbietern, mit unterschiedlicher Software, unterschiedlichen Logins und Passwörtern etc. Sind die digitalen Lösungen nicht ausreichend kundenorientiert und anwenderfreundlich, ist Frustration im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert. Kleine administrative Tätigkeiten, die früher von Sachbearbeitenden im Unternehmen in fünf Minuten erledigt wurden, können sich auf Kundenseite zeitlich potenzieren: Jeder von Ihnen kennt sicherlich Situationen, wenn Links aus E-Mails plötzlich nicht mehr funktionieren, die genutzte App nicht mehr unterstützt wird oder die Eingabe in ein Formularfeld aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt wird.

Es scheint auf den ersten Blick, dass Kunden sich bereits daran gewöhnt haben, diese administrativen Tätigkeiten zu übernehmen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Unternehmen sollten dieses Zeitgeschenk wertschätzen und verantwortungsvoll damit umgehen!

Denn Zeit ist für die meisten Menschen ein sehr wertvolles Gut. Das wird beispielsweise spürbar, wenn wir uns über Verspätungen der Bahn ärgern. Bei der Eingabe eines Versicherungsfalls am PC zuhause im Warmen mag sich Unmut schleichender aufbauen als am kalten Bahnsteig und die Toleranzgrenze liegt bei einem schlechten Onlineformular sicherlich höher als bei einem verpassten Geschäftstermin – aber es gibt auch hier einen Schmerzpunkt, an dem sich Kunden nach Anbietern mit komfortablen, kundenorientierten und zeitsparenden Alternativen umsehen.

Sorgen Sie rechtzeitig dafür, dass es erst gar nicht so weit kommt – oder seien Sie selbst diese Alternative!

  • Priorisieren Sie “Zeit” nicht nur bei Ihren eigenen internen Prozessen, sondern auch bei administrativen Tätigkeiten, die Ihre Kunden für Sie übernehmen!
  • Spüren Sie Zeitfresser auf Kundenseite konsequent auf …
  • … und gestalten Sie bessere oder ganz neue Lösungen.

Einige Impulse, wie Sie das Thema angehen können:

  • Nutzen Sie Befragungstools, Shadowing oder externe Dienstleister für Servicetests, um zu ermitteln, wo sich in Ihren (digitalen) Schnittstellen, Produkten und Dienstleistungen Zeitfresser für Ihre Kunden verstecken.
  • Erarbeiten Sie im Rahmen des Anforderungsmanagement passende User- und Job-Stories, die die Customer Journey verbessern.
  • Denken Sie nicht nur evolutionär, sondern auch revolutionär, beispielsweise mit innovationsfördernden Workshops wie Design Sprints oder Design Thinking.

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Als "Generalistin mit Tiefgang" bricht Wibke Arnold eingefahrene Muster auf, gestaltet inspirierende Arbeitsumgebungen und verschlankt operative Prozesse – für einen individuellen Way of Work ohne Fokus auf Methoden-Hypes.

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