Im Programm einer Konferenz entdeckte ich kürzlich die Session „Hurra, wir werden agil – aber wie?“ Der Titel trifft die Situation in vielen Unternehmen gut: Das Bewusstsein, dass „etwas“ passieren soll, ist da. Aber gleichzeitig herrscht große Unsicherheit, wo und wie angepackt werden soll. Das Thema Agilität brennt vielen Führungskräften auf den Nägeln. Teils, weil genaue Vorstellungen vorhanden sind, was anders bzw. besser werden soll. Teils, weil doch alle anderen auch agil sind und das Management diesen Trend nicht verpassen will. „Wir arbeiten agil“ – das klingt modern und dynamisch. Aber wie bildet man agile Teams?  Gibt es vielleicht einen 10-Punkte-Plan, der nach und nach abgehakt werden kann?

Wir haben mittlerweile mehr als 100 agile Transitionen begleitet und können sagen: Keine zwei Wege waren exakt gleich. Deshalb steht an dieser Stelle die berühmt-berüchtigte Berater-Antwort: „Es kommt darauf an.“ Auf das vorhandene Mindset und die Art der Probleme, die gelöst werden sollen, auf die Führungsebene und den Teamgeist und auch auf die einzelnen Personen und Persönlichkeiten. Doch es gibt gemeinsame Eckpfeiler unserer Herangehensweise, die sich bewährt haben: Wir starten jedes Transformationsprojekt mit den drei Fragen „Warum“, „Wohin“ und „Wie“. Und was uns auch ganz wichtig ist: Wir beenden die Zusammenarbeit nicht mit einer Powerpoint-Präsentation, sondern wir begleiten den Veränderungsprozess, d.h. wir übernehmen Verantwortung für unsere Vorschläge und Konzepte.

Wichtige Vorüberlegungen

In Meetings, Workshops und Interviews klären wir den Status Quo (WARUM) und das Ziel der Reise (WOHIN). Darauf aufbauend lässt sich dann der individuelle Weg in die Agilität definieren (WIE).

WARUM? – Was ist der Grund für den geplanten Change?

Im ersten Schritt sammeln wir Informationen und identifizieren, was konkret verbessert werden soll – denn nur etwas anders oder neu machen zu wollen, reicht nicht aus. Was läuft gut, was sind die Stärken und wo liegen die Schwachstellen im Unternehmen und im Team? Mögliche Ansatzpunkte sind beispielsweise ein massiver Anstieg der Kundenbeschwerden oder Umsatzeinbußen.

WOHIN? – Welche Veränderungen sollen erreicht werden?

Auch wenn Agilität per se „nur“ ein Mindset ist, so hat die agile Transition doch konkrete Ziele, die auch definiert werden sollten. Beispielsweise die Beschleunigung von Time-to-Market, die Verbesserung der Qualität oder eine Reduzierung der Kosten.

WIE? – Was sind die next steps?

Gemeinsam mit dem Management und den Teamleitern entwickeln wir eine Strategie, die zum jeweiligen Unternehmen passt. Gibt es überhaupt eine gemeinsame Vorstellung von Agilität? Starten wir unternehmensübergreifend mit einem „Big Bang“ oder mit kleinen Pilotprojekten in ausgewählten Teams? Welche Teams eignen sich am besten für den Start? Setzen wir gleich mit einem bestimmten Framework an (Scrum, Design Thinking, Kanban …)? Oder macht es mehr Sinn, die Teams langsam an eine agile Arbeitsweise heranzuführen, ohne dem Kind einen bestimmten Namen zu geben?

Und los!

Steht der Rahmen, geht es los: Die Teams werden geschult und gecoacht und die ersten Iterationen starten. In der Anfangsphase sind wir jederzeit bei Fragen und Problemen erreichbar und arbeiten bei Bedarf auch direkt im Team mit, beispielsweise in der Rolle des Scrum Masters oder Transition Managers. Wir begleiten die ersten Retrospektiven und übergeben Schritt für Schritt die Verantwortung an das unternehmensinterne Team. Die Geschwindigkeit dieses Prozesses bestimmt das Team selbst. Wichtig ist uns, dass Fehler gemacht werden dürfen – wir gängeln nicht, wir geben keine Lösungen vor, sondern wir liefern Impulse, den Weg zur lernenden Organisation immer selbständiger gehen zu können.

Tipp: Die meisten Projekte scheitern an fehlender oder mangelhafter Kommunikation. Agile Teams sollten deshalb gemeinsam in einem Raum arbeiten – auch wenn die Teammitglieder nicht aus demselben Fachbereich kommen. Mindestens ein großes Whiteboard ist Pflicht.

Die Top 3 Hindernisse für agile Teams

Ganz reibungslos läuft die agile Transition der Teams in den seltensten Fällen ab. Es gibt Widerstände und Ängste, Skeptiker und Bremser, die ernst genommen werden wollen (und sollen):

Teamproblem #1: Kontroll-Ängste

Manche Mitarbeiter empfinden es als große Umstellung, plötzlich im Daily Standup berichten zu müssen, an was sie aktuell arbeiten, wo es hakt und wie weit sie bereits gekommen sind. Hier liegt es am Transition Manager, diese Bedenken behutsam abzubauen und die Vorteile der transparenteren Arbeitsweise für das gesamte Team erlebbar zu machen.

Teamproblem #2: Mangelnde Selbstorganisation

Für viele Teams ist es eine neue Erfahrung, dass die Teammitglieder viel Eigenverantwortung übernehmen müssen. Wer es bislang als angenehm empfunden hat, dass Aufgaben von oben vorgegeben und dann abgearbeitet wurden, muss sich umstellen. Wichtig ist, dass Führungskräfte diesen Prozess unterstützen und die Verantwortung tatsächlich ans Team delegieren. Bedeutet: Auch bei Eskalationen greifen sie nicht ein, sondern überlassen die Lösung dem Team – zu bequem wäre es sonst für Teammitglieder, die Verantwortung wieder an Führungskräfte zurückzugeben, sobald es schwierig wird.

Teamproblem #3: Die agile Insel

Die „Agilisierung“ eines Teams allein macht noch lange nicht agil. Häufig starten Transformationsprojekte in der Produktentwicklung – aber das ist nur ein Puzzlestück der Wertschöpfungskette. Der Vorteil einer schnelleren Produktentwicklung verpufft, wenn beispielsweise Marketing oder Vertrieb zum Flaschenhals werden und so die Time-to-Market nicht wesentlich verkürzt wird. Alle Unternehmensbereiche müssen im gleichen Takt zusammenarbeiten, damit das Optimierungspotenzial voll ausgeschöpft werden kann. Agile Teams brauchen deshalb immer eine agile Organisation – und eine agile Führung, denn das Management gibt die Marschrichtung vor und führt den Change-Prozess an.

Sie befinden sich mitten in der agilen Transition und kennen diese Probleme aus eigener Erfahrung? Oder planen Sie ein Change-Projekt und möchten sich auf dieser spannenden Reise begleiten lassen? Wir unterstützen Sie mit passenden Workshops, Schulungen und Coachings!

 

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Dank langjähriger Erfahrung in der Produktentwicklung ist Giancarlo Girardi der ideale Sparringspartner für Teams, die nicht nur Produkte und Prozesse, sondern auch ihre Zusammenarbeit verbessern möchten. Er versteht sich als Brückenbauer zwischen Menschen und Kulturen.

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